Die Pinselherstellung
Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts musste sich der Künstler sein Malgerät von Grund auf selbst herstellen. Sein hoher Anspruch, den schöpferischen Prozess beim Malen ungestört in Fluss halten zu können, zwangen ihn, auch ein ausgezeichneter Pinselmacher zu sein - wollte er doch stets "königlich herrschen" beim Auftragen der Farben.
Erst im 18. Jahrhundert begann eine stolze Handwerkszunft, den Künstlern die Mühe des Pinselbindens abzunehmen.
Durch neue Erfahrungen und wunderbare Geschicklichkeiten verbessert, kam das junge Handwerk in der Handelsstadt Nürnberg bald zu großer Blüte und weltweitem Ansehen. Stolz hielten hier noch um die vorletzte Jahrhundert-wende selbstbewusste Pinselmacher an einem Privileg fest:
Sie nahmen den Weg zur Arbeit in Gehrock und Melone.
Wer malend, mit gefülltem Pinsel die Farbe über das Papier treibt, sie unter scharfem Blick in die rechte Position jongliert, nützt mit Selbstverständlichkeit die vielen guten, zuverlässig vorhandenen Eigenschaften des haarigen Helfers: Das reiche Füllvermögen, die lebendige Federkraft der Haare, das blitzartige Wiedereinstellen der vom Pinselmacher aufgebauten Form nach jedem Einsaugen der neuen Farbe. Ein feines, hochelastisches Instrument turnt heute über die Malfläche, und seine widerspenstige Ahnenreihe, bis hin zum Knüppel mit den angebundenen Haaren, ist vergessen.
Alles beginnt mit einem Ende: dem Tierschweif. An ihm sind die Haare besonders kräftig, denn sie müssen mechanische Aufgaben erfüllen: kehren, schlagen, steuern. Die ihnen von der Natur hierfür verliehenen Eigenschaften sind für die Absichten des Pinselmachers die große Kostbarkeit.
In hellen Räumen einer Künstlerpinselmacherei sitzen Meister, Gesellen und auch Lehrlinge an ihren marmornen Arbeitsplätzen in die Handarbeit vertieft. Besucher finden hierzu häufig Worte der Überraschung beim Eintreten in die ruhige Atmosphäre, die ihnen entgegenschlägt. Vergleiche fallen: Labor, Zeichensaal, Atelier. Vielleicht ist es die Bezeichnung „Fabrik”, die mechanischen Lärm erwarten lässt. Hier aber ist sehr viel Stille, ein wenig Geplauder; nur hin und wieder deutliche synkopische Klopfgeräusche, Takte zwischen Marschmusik und New Orleans.
Geht man diesem Geräusch nach, wird ein kleiner, kartuschenartiger Messingköcher entdeckt. Der Pinselmacher füllt ihn mit dem Haar- oder Borstenbedarf des gewünschten Pinsels.
Er macht das mit einem einzigen Dreifingergriff. Dann trommelt er mit dem Behälter auf die Tischplatte, bis jedes Haar Boden unter den Füßen hat, oder besser: unter dem Kopf; denn es steckt, wie im Nikolaussack, verkehrt herum in der Finsternis im Messing.
Aus dem Gefäß gezogen, wird der kleine Strauß Haare in eine Fadenschlinge gesteckt und zwischen den Fingerspitzen gedreht. Bald erblüht er dabei in einer feinen Facon, die - nochmals umbunden - schnell gefestigt ist. Mit den Zähnen hält der Pinselmacher hierbei den Faden stramm.
In die Metallzwinge geschoben, muss die aufgegriffene Haarmenge die Fassung straff füllen. Und das ist eines der Wunder: Nur das Haarquantum für 100 Pinsel ist zur Kontrolle vorher auf der Goldwaage abgewogen. Der Pinselmacher greift mit sicheren Fingerspitzen genau ein 100stel dieser Menge. Unser Staunen über das eingeübte Maßgefühl erfährt noch eine Steigerung, wenn wir bedenken, dass z.B. für Rotmarderpinsel der Größe 10/0 - 0,010 Gramm, für Größe 12 - 1,11 und für die Größe 24 - 4,12 Gramm Haare aufgegriffen werden müssen.
Erst beim Betrachten der vielen Größen und Formen, der mannigfachen Beschaffenheit der Haare wird der ganze Umfang an Geschicklichkeit deutlich, den ein Pinselmacher beherrschen muss. Mancher qualitätsentscheidende Kniff ist sogar nachahmlich.
Nur Messer und Schere braucht der Pinselmacher zur Arbeit, die Schere zum Durchschneiden des Fadens, das Messer um gelegentlich verkehrtliegende oder stumpfe Haare und Borsten entfernen zu können. Der Gedanke aber, einen Künstlerpinsel mit der Klinge zu fassonieren, lässt jeden Pinselmacher blass werden. Die von Hand gearbeitete Form war und wird auch in Zukunft das wesentliche Qualitätsmerkmal eines guten Künstlerpinsels bleiben.
Das Verkitten der Pinselhaare mit der Zwinge besorgt eine Dosiermaschine. Sie füllt den Innenraum der Hülse mit einem modernen 2-Komponentenklebstoff. Alle Haare sind nach dem Aushärten fest verankert. Abschließend werden weitere Maschinen benützt. Zwinge und Holzstiel bekommen in der Presse eine starre Verbindung. Ein Stempel übernimmt das Einprägen der Größenangaben und der Wortmarke.
Noch einmal durchläuft jeder Pinsel eine Kontrolle auf Festigkeit und einwandfreien Schluss. Sorgfältig verpackt darf er dann verreisen, vielleicht über Gebirge und Ozeane, an irgendeinen Ort der weiten Welt.